Fintech: Herausforderungen und Chancen für die Finanzindustrie

Die Digitalisierung verändert die Finanzindustrie grundlegend. Die Pandemie hat den digitalen Wandel noch verstärkt. Interaktionen mit Unternehmen waren plötzlich nur noch auf digitalen Kanälen möglich. Es zeichnet sich ab, dass die Nutzung neuer Technologien und digitaler Dienste im Finanzbereich weiter an Dynamik gewinnen wird.

 

Von Marianne Bonato
Mitglied der Geschäftsleitung, AZEK und SFAA

 

Entstehung von Fintech-Ökosystemen nutzen

Fintech-Innovationen ermöglichen neue Geschäftsmodelle und Lösungsansätze. Neue Wettbewerber:innen entwickeln technologiegestützte Angebote, mit denen traditionelle Bankprozesse abgelöst und die entsprechenden Erträge bei den Banken wegfallen.

Der Wandel bietet für die Banken aber auch Chancen und neue Ertragsquellen. Im Gegensatz zu neu in den Markt eintretenden Startups sind die Banken meist etablierte Player mit vertrauenswürdigen Marken und einem breiten Produktportfolio. Durch den grossen Kundenstamm profitieren sie von Grössenvorteilen in der Umsetzung neuer digitaler Lösungen. Um mit den agilen Startups mithalten zu können, sind die Banken gefordert, Innovationen zielgerichtet und konsequent umzusetzen. Oft wird auch mit Startups kooperiert. Die dadurch entstehenden neuen Fintech-Ökosysteme strukturieren den Finanzdienstleistungssektor aus Kunden-, Produkt- und Servicesicht neu.

 

Anwendungen der künstlichen Intelligenz

Die Digitalisierung geht weit über die Automatisierung von Prozessen hinaus. Mit der digitalen Nachbildung von menschlichen Entscheidungsstrukturen werden sogenannt künstlich intelligente und selbstlernende Systeme geschaffen. Die Bandbreite möglicher Anwendungen künstlicher Intelligenz ist enorm. Die Unterstützung bei Datenauswertungen durch Software oder Chatbots sind bereits regelmässige Begleiter in unserem Alltag. Weitergehende Ansätze haben zum Ziel, die menschliche Intelligenz für die gesamte Wertschöpfungskette eines Finanzdienstleisters durch digitale Lösungen zu ersetzen. In einem solchen Setting könnte Software durch Verknüpfung von Daten nicht nur neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln, sondern diese auch zielgerichtet bewerben und vertreiben. Zahlungen, Kredite oder Wertpapiertransaktionen würden vollständig automatisiert ablaufen. Auch in der Verwaltung und im Personalwesen könnten technologische Lösungen den Menschen ablösen.

 

Decentralized Finance erhöht die Skalierbarkeit

Mit auf der Blockchain basierenden Kryptowährungen und digitalen Zahlungsmitteln entstehen seit einigen Jahren neuartige Trends und Entwicklungen im Finanzwesen, die deutlich an Dynamik gewonnen haben. Auf Grund der hohen Volatilität ist deren Funktion als Wertaufbewahrungsmittel aber zumindest heute noch stark begrenzt. Von Zentralbanken emittierte digitale Währungen erleben derzeit einen grossen Aufschwung. Es gibt aktuell eine Reihe an Projekten wie beispielsweise von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zusammen mit der SNB und weiteren Nationalbanken. Voraussetzung sind Lösungen für digitale Identitäten und KYC. Mit der Blockchain wird Decentralized Finance ermöglicht, das Angebot von Finanzinstrumenten ohne die Steuerungs- und Kontrollfunktion von Intermediären. Gleichzeitig erhöhen sich der Automatisierungsgrad und reduzieren sich Transaktionszeiten, und damit die Skalierbarkeit entlang aller Produktkategorien im Zahlungs-, Anlage- und Kreditbereich. Die Beispiele reichen von Trade-Finance-Lösungen bis hin zu Peer-to-Peer-Versicherungen. Allerdings sind noch einige technische Probleme in den Bereichen Konsensus-Mechanismen, Performance und Governance zu lösen.

 

Tokenisierung verändert das Anlageverhalten

Neben Zahlungsmitteln können auch finanzielle Werte wie Aktien, Bonds oder reale Werte (z.B. Immobilien, Edelsteine) tokenisiert, das heisst mit der Blockchain-Technologie verbrieft, und mittels Distributed Ledger dezentral ohne Intermediär verwaltet werden. Die neuen Möglichkeiten werden die Verhaltensweisen der Marktteilnehmer:innen vermutlich beeinflussen. Wenn Privatinvestor:innen neu direkt in tokenisierte Assets investieren können, werden sie das auch nutzen. Dasselbe gilt für institutionelle Investor:innen, denen neue Anlageklassen offenstehen. Bedeutende Veränderungen sind in der Wertschöpfungskette der Finanzindustrie zu erwarten. Beispielsweise lassen sich Fonds einfacher und transparenter und mit weniger Akteur:innen gestalten. Dies gilt auch für Versicherungsverträge, wenn sie vollständig über Smart Contracts digitalisiert werden.

 

Fintech-Kompetenz für Finanzfachleute

Fintech ist ein prominentes Thema in der Finanzindustrie. Die Anwendungen werden immer mehr zu Mainstream und eröffnen auf Kunden- und Investorenseite zahlreiche neue Möglichkeiten. Den digitalen Wandel zu verstehen, kritisch zu überblicken und die einzelnen Entwicklungen in Zusammenhang zu bringen ist eine grosse Herausforderung. Für Finanzfachleute ist es zentral, am Ball zu bleiben und sich die Kenntnisse anzueignen, um ihre Kund:innen kompetent zu beraten und zu begleiten. Vor diesem Hintergrund bietet AZEK neu den Lehrgang Fintech. The essentials for practice an (mehr dazu unter https://www.azek.ch/de/ch-de/ausbildung/azek-fintech-zertifikat/)

 

Ausbildungszentrum AZEK und Analystenvereinigung SFAA

Das AZEK Ausbildungszentrum für Finanzfachleute wurde 1990 von der Swiss Financial Analysts Association SFAA gegründet. AZEK ist ein führender Anbieter von Finanzausbildungen in der Schweiz in den Bereichen Finanzanalyse & Vermögensverwaltung, Wealth Management, Finanzmarktoperationen, Financial Data Science und ESG. Die Lehrgänge verbinden umfassendes theoretisches Wissen mit starker Praxisausrichtung und können auch im online-Format gebucht werden. Die Absolventen mit eidgenössischen und internationalen Abschlüssen können von einem breiten Weiterbildungsangebot profitieren.

 

Biografie

Seit 2016 ist Marianne Bonato Mitglied der Geschäftsleitung von AZEK und SFAA. Zuvor war sie im Finanzbereich bei Banken, Versicherungen, Private Equity und in der Finanzberatung tätig. Sie verfügt über ein Lizenziat in Volkswirtschaft der Universität Zürich und ein EMBA der HSG.